Beitragscheck 2020

So teuer wird Ihre Krankenkasse

Die meisten Krankenkassen halten ihren Zusatzbeitrag 2020 stabil – und das aus Kalkül. In unserem großen Beitragscheck mit 78 Kassen zeigen wir, welche Kassen teurer und welche günstiger werden.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Thorsten SchaffThorsten Schaff Veröffentlicht: | aktualisiert:
Die meisten Krankenkassen setzen auf Ruhe an der Beitragsfront.

Die meisten Krankenkassen setzen auf Ruhe an der Beitragsfront.

© Coloures-Pic / stock.adobe.com

Berlin. Der Großteil der Krankenkassen lässt den Zusatzbeitrag für 2020 konstant. Teurer wird es für die Versicherten von 18 Kassen, wie unser großer Beitragscheck mit 78 Kassen offenbart.

Die großen Drei lassen alles beim Alten: Platzhirsch Techniker Krankenkasse rüttelt nicht an den 0,7 Prozent für den Zusatzbeitrag. Der Beitragssatz beträgt für die rund 10,4 Millionen Versicherten weiterhin 15,3 Prozent.

Für die rund neun Millionen Versicherten der Barmer ändert sich ebenfalls nichts: Der Zusatzbetrag beläuft sich auf 1,1 Prozent, der Beitragssatz auf 15,7 Prozent. Und die 5,6 Millionen Versicherten der DAK-Gesundheit bezahlen auch 2020 einen Extra-Obolus von 1,5 Prozent und insgesamt einen Beitragssatz von 16,1 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).

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Insgesamt 20 Krankenkassen haben am Zusatzbeitrag gedreht, bei zwei Kassen wird es günstiger. Als einzige Kasse verzichtet die AOK Sachsen-Anhalt ganz auf den Zusatzbeitrag, was sie zur Kasse mit dem niedrigsten Beitragssatz (14,6 Prozent) macht. Für die rund 785.000 Versicherten sinkt der Beitragssatz im Vergleich zu 2019 um 0,3 Prozentpunkte. Auch bei der Debeka BKK werden die Versicherten sparen, der neue Beitragssatz liegt 0,1 Prozentpunkte unter dem alten.

Alle 18 Krankenkassen, die den Zusatzbeitrag erhöhen, sind Betriebskrankenkassen. Die höchste Steigerungsrate notiert die Salus BKK mit 0,66 Prozentpunkten, ihr Beitragssatz klettert von 15,39 Prozent auf 16,05 Prozent (siehe nachfolgende Grafik).

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Durchschnittlicher Zusatzbeitrag liegt bei 1,1 Prozent

Der offizielle Zusatzbeitrag steigt 2020 von 0,9 auf 1,1 Prozent. Der GKV-Spitzenverband hätte sich angesichts der erwarteten Ausgaben (258,6 Milliarden Euro) eine Erhöhung um 0,3 Punkte gewünscht. Doch im Schätzerkreis ging das Ministerium von um 1,8 Milliarden Euro geringeren Ausgaben aus. 2020 wird zeigen, wer von beiden recht behält.

Denn erwartet wird in den kommenden Jahren ein massiver Ausgabenzuwachs in der GKV. Die Einnahmen werden vom Schätzerkreis, wo Experten aus Bundesversicherungsamt, Kassen und Ministerium versammelt sind, auf 240,3 Milliarden Euro taxiert – inklusive des Bundeszuschusses von 14,5 Milliarden Euro.

Aus Zusatzbeiträgen muss somit – im günstigen Fall – eine Lücke in Höhe von 16,5 Milliarden Euro gedeckt werden. Aus Sicht der Kassen werden es eher 18,3 Milliarden Euro sein.

741 Millionen Euro Minus

Dass die Ausgaben kräftig anziehen, mussten Kassenmanager schon im laufenden Jahr erleben: Wurde in den ersten drei Quartalen 2018 noch ein Plus von 1,86 Milliarden Euro erzielt, so drehte sich im laufenden Jahr der Wind: Ende September stand in der Bilanz der Kassen ein Minus von 741 Millionen Euro. Die Ausgabenüberhänge sind allerdings ungleich zwischen den Kassenarten verteilt (siehe nachfolgende Grafik).

So schrieben die Ersatzkassen mit minus 402 Millionen Euro tiefrote Tinte. Dagegen fiel das Defizit mit 142 Millionen Euro – angesichts der Marktbedeutung der Ersatzkassen – vergleichsweise gering aus. Teilweise geht dieses Ergebnis auch auf die von einzelnen Kassen Anfang 2019 gesenkten Zusatzbeiträge zurück.

Zum Jahresende rechnet der GKV-Spitzenerband mit einem Defizit von über einer Milliarde Euro.

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Alle Kassenarten jenseits der AOK-Familie beklagen eine strukturelle Schieflage des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA). Das Faire Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG), das Mitte Dezember erstmals im Bundestag beraten wurde, enthält ein umfangreiches Regelungspaket, das die Karten im Kassenausgleich neu mischen könnte.

Navigieren im Datennebel

Entsprechend umkämpft ist die Vorlage aus dem Haus von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Viele geplante Regelungsinhalte wie die Regionalkomponente oder das Krankheitsvollmodell lassen sich ohne konkrete Ausführungsbestimmungen nur schwer in ihren Verteilungswirkungen bestimmen. Entsprechend vorsichtig müssen die Kassenmanager im Datennebel navigieren und lassen die Zusatzbeitragssätze vorerst stabil.

Sicher dagegen ist, dass die Ausgaben 2020 weiter anziehen werden. 2019 betrug der Zuwachs bislang 5,37 Prozent – bereits deutlich mehr als im Vorjahreszeitraum (3,8 Prozent). Jeder Prozentpunkt, um den die Ausgaben GKV-weit zusätzlich steigen, entspricht 2,5 Milliarden Euro.

Und die Spahn‘sche Reformkaskade zieht eine größer werdende Ausgabenwelle nach sich. Nach Zahlen des AOK-Bundesverbands sind es 2020 rund 9,8 Milliarden Euro, die die vielen neuen Gesetze zusätzlich kosten, das entspricht fast 0,7 Beitragspunkten.

Mehrausgaben von 35 Milliarden

Die Mehrausgaben durch das Terminservicegesetz (TSVG) belaufen sich der AOK-Aufstellung zu Folge auf 2,5 Milliarden Euro. In der gleichen Größenordnung rangieren die Zusatzausgaben durch das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG).

Nicht zu vergessen die Pflegegesetzgebung, insoweit die Kostenfolgen der GKV zufallen. In der Summe erwartet der AOK-Bundesverband – Stand Herbst 2019 – bis Ende 2022 Mehrausgaben in Höhe von 35,5 Milliarden Euro.

Noch sind die Rücklagenpolster vieler Kassen mit 20,6 Milliarden Euro gut gefüllt. Das entspricht fast einer Monatsausgabe und damit dem Vierfachen dessen, was der Gesetzgeber vorschreibt. Das verleitet den Gesetzgeber, sich immer wieder an den Reserven zu bedienen.

So greift die Koalition mit dem Betriebsrenten-Gesetz im Jahr 2020 in die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und entnimmt für die Förderung der Betriebsrenten –  eigentlich einer klassischen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe – 1,2 Milliarden Euro aus dem Topf. Die fetten Jahre in der GKV gehen zu Ende.

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